Viel laufen, viel Landschaft, keine Pommes
Mit der Greifenstein-Schleife komplettiere ich meine Laufserie der 10 Wäller Touren. Ich kann dir guten Gewissens sämtliche Touren als echtes Erlebnis empfehlen.
Von Jörg Schimitzek
Besonders gut gefällt mir, dass sich auch zumindest Halbmarathon erfahrene Läuferinnen und Läufer durch das Verlegen von Start- und Zielpunkt an diese anspruchsvolle Tour heranwagen können.
Das große Sahnestück der Strecke in Bezug auf das Natur- und Landschaftserlebnis liegt zwischen Wanderparkplatz Greifenstein und dem Campingplatz Mademühlen an der Krombachtalsperre. Dies ist für mich der reizvollste Abschnitt. Der Rest ist nach meinem Erachten eher etwas für eine Themenwanderung. In Herborn startet nämlich gleichzeitig auch der “Energie-Lehrpfad Wasser, Wind und Sonne” der ebenfalls bis zur Krombachtalsperre führt.
Frühstück, Verpflegung und Ausrüstung
Wenn rund 1.000 Höhenmeter angesagt sind, tust du gut daran ordentlich zu frühstücken. Selbsterklärend solltest du bei meiner Auswahl an vollwertige Buschmann Nahrung gewöhnt sein. Bist du eher noch der Weißmehl-Toastbrot Typ rate ich dir dringend davon ab, mit der Ernährungsumstellung unmittelbar vor einem Lauf zu beginnen.
Meinen Tag starte ich heute mit einem Porridge welches ich mit Hafermilch anrühre. Dazu kommen noch gehackte Mandeln und Sonnenblumenkerne, sowie rote Trauben und eine Nektarine.
Unterwegs versorge ich mich mit einem Müsliriegel sowie 2 kleinen Beuteln Studentenfutter. Alle 10 Kilometern nehme ich ergänzend einem SaltStick zu mir, um den Salt- und Mineralienverlust des Schwitzens auszugleichen.
An Getränken verwende ich 2 Liter Leitungswasser von dem ich 1,5 Liter in meiner Trinkblase und 0,5 Liter in einem der vorderen Softflasks mitführe. Dazu kommt 0,5 Liter Iskiate oder auch Chia-Gel genannt, welches ich am Vorabend bereits angesetzt habe.
An Ausrüstung trage ich eigentlich nur meine Standard Klamotten. Im Wesentlichen den Laufrucksack von Salomon, die CEP Beinlinge (Sleeves), die Luna Sandals sowie meine Leki Micro Trail Vario Trailrunning Stöcke. Diese vereinen die unschlagbaren Vorteile von Variabilität – sie sind faltbar und höhenverstellbar – bei sehr niedrigem Gewicht. Den Track habe ich mir auf meine Suunto Ambit 3 Peak Black geladen.
Start in Herborn und das Wasserkraftwerk Merkenbach
Wer die Strecke ab dem Wanderparkplatz Greifenstein bis zur Krombachtalsperre bei Mademühlen läuft, verkürzt um 9,5 bzw. 4,55 auf insgesamt 22,8 Kilometer. Da ich aber die komplette Strecke gelaufen bin schreibe ich auch einen vollständigen Bericht.
Die Anfahrtsbeschreibung, die vorhanden Parkplätze sowie die gesamte Streckenmarkierung sind hervorragend. Ein zusätzliches GPS Gerät oder eine Karte mitzuführen ist nicht zwingend notwendig.
Mein Weg führt zunächst vom Wanderparkplatz in Herborn über einen Fahrradweg parallel zur Dill grob in Richtung Sinn. By the way: die Dill ist neben Rhein, Lahn, Sieg und Heller einer der 5 Flüsse die den Naturraum Westerwald geografisch abgrenzen. Nach rund 1,6 Kilometern stehe ich vor der ersten Station des Energie Lehrpfades auf meiner Route. Es ist das mit 25.000 m³ Wasser gefüllte Ausgleichsbecken des Wasserkraftwerkes Merkenbach.
Zweite Station: das Wasserschloss Merkenbach
Weiter geht es unter der A45 hindurch wo sich ein paar offensichtlich semi professionelle Sprayer mit ihren unglaublich schlechten Arbeiten verewigt haben. Unmittelbar im Anschluss, das gleichsam attraktive Umspannwerk.
Für meine kleine Lästerei werde ich dann auch sofort mit einem knackigen Anstieg um 110 Höhenmeter zum Wasserschloss Merkenbach auf dem 332 Meter hohen Katzenstein belohnt. Vom Wasserschloss aus hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Örtchen Merkenbach im Nordwesten und Fleisbach im Südosten. Die Geschichte und Bedeutung des Wasserschlosses ist sehr spannend. Sie zeigt eindrucksvoll welche technischen Leistungen frühere Generationen mit reiner Ingenieurskunst und fleißiger Hände Arbeit hervorgebracht haben. Die Seite dazu habe ich verklinkt.
Zwischen Wasserschloss und Greifenstein laufe ich weiter auf gut ausgebauten Wirtschaftswegen, teilweise entlang des Fleisbaches. Den kommenden Anstieg um 165 Höhenmeter nehme ich gelassen.
Die Hutebäume
Etwa bei Kilometer 8,3 (Nähe Sportanlage Greifenstein) wird meine Mühe mit dem Anblick eines sehenswerten Naturdenkmals belohnt. Zu bestaunen gibt es eine Gruppe sogenannter “Hutebäume” welche aus Huteeichen und Hutebuchen besteht. Ein Hute- oder Weidebaum ist im Zusammenhang mit einer intensiven Beweidung (Hute) der Fläche entstanden. Als Schutzgrund werden Alter, Schönheit sowie die kulturhistorische Bedeutung der Bäume als Relikte historischer Landnutzung durch Viehbeweidung angegeben.
Burg Greifenstein und die Glockenwelt
Vom Wanderparkplatz Greifenstein aus kann ich einen kurzen Blick auf die Burg Greifenstein werfen. Ein separater Besuch lohnt sich in jedem Fall. Ich hatte bereits während meines Laufs auf dem Drei-Burgen-Wanderweg das Vergnügen. Die Burg Greifenstein ist Geopunkt im Geopark Westerwald-Lahn-Taunus. Neben ihrem historischen Wert ist die Glockenwelt der Burg Greifenstein mit über 100 Glocken die bedeutendste Glockensammlung ihrer Art in Deutschland.
Die Ulmtalsperre
Es folgt ein Streckenabschnitt der mein pumpendes Trailrunner Herz richtig in Wallung bringt. Ab etwa Kilometer 10 bis zur Ulmtalsperre laufe ich weitestgehend downhill über herrliche Naturpfade und Singletrails. Irgendwo im nirgendwo stoße ich auf ein Hinweisschild mit einem Text über die im Jahre 1225 erbaute Burg Lichtenstein von der allerdings nichts mehr übrig ist, zumindest kann ich im dichten Unterholz nichts entdecken – sehr schade.
Bei Kilometer 12,7 suche ich ein wenig Schatten in der dortigen Schutzhütte und lege eine kurze Pause ein. Die Schutzhütte ist auf einem steil abfallenden Felsen gebaut von dem man einen tollen Fernblick über die Ulmtalsperre ins Ulmtal genießt.
Gut erholt und satt gesehen verlasse ich die wehende hessische Flagge und laufe weiter abwärts in Richtung Ulmbach, dessen urigem Lauf ich gegen den Strom bis zur Staumauer der Ulmtalsperre folge. Unterwegs passiere ich noch ein weiteres Relikt vergangener Zeiten. Ein Wehr oder auch Querbauwerk genannt, welches den Zielen des Natur- und Artenschutzes sprichwörtlich im Wege steht. Die Biologische Durchgängigkeit von Fließgewässern von der Mündung bis zur Quelle ist für alle wandernden Fischarten von großer Bedeutung muss gemäß Europäischer Wasserrahmenrichtlinie bereits seit Jahren umgesetzt sein. Leider ist dem scheinbar immer noch nicht so. Jedes Wehr das rückgebaut oder anderweitig durchgängig gemacht wird, ist ein positiver Beitrag zur Steigerung der Biodiversität und Renaturierung heimischer Fließgewässer.
Das Kreuz auf dem Christköppelchen
Nach rund 15 Kilometern entdecke ich erneut ein wunderbares Plätzchen für eine weitere Rast. Ich bin am Kreuz auf dem Christköppelchen angekommen. Eine in den Wald geschlagene Schneise eröffnet den Blick in südöstliche Richtung auf die Örtchen Holzhausen im Vordergrund und Ulm im Hintergrund.
Es folgt ein romantischer Pfad auf weichen Fichtennadeln an dessen Ende ich auf eine Holztafel mit einem geschnitzten Gedicht als Inschrift stoße. Leider lässt sich der Verfasser – den ich sehr gerne nennen möchte – nicht ablesen. Es lässt sich nur ableiten, dass die Wanderabteilung eines hiesigen Turn- und Sportvereins mit der Tafel in Verbindung steht. An dieser Stelle hoffe ich darauf, dass mein folgendes Zitat der Inschrift mit dem Urheberrecht in Einklang zu bringen ist.
Der Wald
Der hohe Wald ist Deine Kirche, drum geh mit Andacht Du hinein!
Dort singen kleine Vöglein, mit Deinem Gott bist Du allein.
Es steh´n die Tore all Zeit offen zu diesem Dom im stillen Hain.
Kannst weinen, beten drin und hoffen, kannst auch vergessen Deine Sorgen.
Komm tritt nur ein
Der Leyenbach-Wasserfall bei Nenderoth
Zwischen den beiden Orten Odersberg im Norden und Nenderoth im Süden stehe ich plötzlich an einem ganz besondere Punkt auf meiner Route. Der Leyenbach, der von Norde nach Süden fließt muss auf etwa 25 Metern Länge einen Höhenunterschied von 10 Metern überwinden. Das Ergebnis ist ein urschöner Wasserfall – das Naturdenkmal Nenderother Wasserfall.
Leider führt der Leyenbach aktuell wenig Wasser, so dass sich das Naturschauspiel des fallenden Wassers nur erahnen lässt. Ich werde hier nach einem der nächsten Starkregenereignisse noch mal herkommen und schöne Fotos machen. Im Winter soll sich der Wasserfall zu einer natürlichen Eisskulptur formen.
Pommes: ja oder nein?
Die doch überwiegend süße Marschverpflegung lässt irgendwann mein penetrantes Verlangen nach Salzigem laut werden und irgendwie kommen mir duftende und vor allem salzige Pommes in den Sinn. Am besten nach Art “Pommes Schranke”, also rot weiß oder auch mit Majo und Ketchup genannt.
Wo aber soll ich denn mitten im Wald und vor allem am “heilisssche Vadderdach” solch übles Naschwerk herzaubern? Kurz hinter Arborn glaube ich, meinen Sinnen nicht mehr trauen zu können. Mein Geruchssinn sendet die Meldung “Pommesalarm” ans Hirn. Tatsächlich, in Arborn feiert man den Vatertag auf dem Sportplatz und die fröhlichen Menschen essen haufenweise in Öl gebadete Kartoffelstäbchen. Wahrscheinlich sogar mit Majo, Ketchup und viel Salz….
Gebe ich mir die Blöße und vor allem hab` ich Bock darauf, den Hügel zum Sportplatz hinab zu laufen und damit noch weitere Höhenmeter zu provozieren? Ne ne … ich bin ein Buschmann und esse ausschließlich gaaanz gesundes Zeug. Also weiter geht´s.
Wacholderheide, Knoten und Hui Wäller
Mein nächstes Etappenziel sind das Naturdenkmal Wacholderheide nördlich von Arborn, das Adolf-Weiß-Denkmal sowie der Knotengipfel. Bis zum 605 müNN. liegenden Gipfelkreuz muss ich allerdings weitere 2,5 Kilometer Strecke in Verbindung mit 175 Höhenmetern hinter mich bringen.
Auf dem Hochplateau angekommen liegt sie vor mir, die Wachholderheide welche wie auch die Hutebäume bei Greifenstein ein Relikt historischer Landnutzung durch Schafsbeweidung im Westerwald darstellt und somit den Schutzstatus eines Naturdenkmales inne hat.
Linker Hand der geschützten Fläche schließt sich ein Baumlehrpfad an, an dessen Ende ich auf das Denkmal unseres großen Heimatdichters Adolf Weiss stoße. Adolf Weiss (1861-1938) war Bauer und Dichter aus Mademühlen. Außerdem war er Mitglied im Westerwald-Verein.
Im Jahr 1913 schrieb die Ortsgruppe Bonn des Westerwald-Vereins einen Wettbewerb aus mit dem Ziel einen Erkennungsruf für den Westerwaldwanderer zu schaffen. Der Sieger sollte 12 Flaschen Wein erhalten.
Aus den mehr als 60 Einsendungen wurde der Vers von Adolf Weiss ausgewählt.
„Das Schicksal bestimmte mich nicht zum Prasser. Ich mußte bis jetzt mich begnügen mit Wasser. Doch würd ich gern einmal trinken Wein, und sollt’s auch nur „edler Mosel“ sein. Dacht gleich ich: „Was gilt’s? Du riskierst den Spaß! Hui! Wäller?“ – Allemol!“, so tönt der Ruf, den in meiner Sehnsucht nach Wein ich schuf.
Das „Hui“ das hat mich der Sturmwind gelehrt,
wenn wild über unsere Heide er fährt.
Und Wäller wir ja allemol sind,
wir trotzen dem Regen, dem Schnee und dem Wind.
Drum mögt‘ ich zum Schluß ganz bescheiden hoffen, daß ich mit dem Ruf ins Schwarze getroffen. Doch sollte mein Werben vergebens sein, wie wär’s dann mit einer Flasche Wein?“
Quelle: https://www.mengerskirchen.de/freizeit-tourismus-und-kultur/sehenswuerdigkeiten-mengerskirchen/denkmal/593-adolf-weiss-denkmal.html
Einmal Spaghetti-Eis bitte…aber eine große Portion
Nachdem ich nun auch den Gipfel des Knoten hinter mich gebracht habe, laufe ich fortan in nördlicher Richtung auf die Krombachtalsperre zu. Die mehr als 80 Hektar große Wasserfläche ist besonders bei Surfern und Seglern beliebt, da man hier nicht lange auf den von Adolf Weiss beworbenen Wind warten muss.
Ich laufe vom Ferienhausgebiet kommend direkt auf den Parkplatz des Campingplatzes Mademühlen und werde jäh von unerwarteten Gelüsten geplagt. Jemand sabotiert meinen strengen Ernährungsplan und parkt seinen mobilen Eissalon mitten auf meiner Laufstrecke. Scheiß auf die salzigen Pommes, Spaghetti tun´s auch. “Eine große Portion Spaghett-Eis bitte”, höre ich mich sagen und ehe ich nachdenken und mich zusammenreißen kann, steht sie vor mir, die Schale mit dem Eis und der leckeren Erdbeersoße und dem aus weißer Schokolade gezauberten herrlichen Parmesan-Imitat. Ja also, da kann ich ja jetzt auch nix dafür…..
Ab zu Bäcker Reeh nach Rehe
Ein Spaghetti-Eis später befinde ich mich auf der Zielgeraden in Richtung Rehe. Wir sind des öfteren nach einem Lauf um die Talsperre bei Bäckermeister Heiko Reeh in Rehe zu Gast und brunchen dort ausgiebigst. Er bietet sehr feine frische glutenfreie Backwaren an und ist damit eine äußerst seltene Erscheinung seiner Zunft. Auf glutenfreie Nahrungsmittel sind zum Beispiel Menschen die an Zöliakie leiden angewiesen. Da Heiko Reeh sein Handwerk versteht mache ich an dieser Stelle sehr gerne ein wenig unbezahlte Werbung für ihn.